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Revisiting Appalachia – ist Fallout 76 endlich ein gutes Spiel?

Im Jahr 2018 passierte etwas, mit dem zu dem Zeitpunkt kaum jemand rechnete. Im Sommer verkündete Entwicklerstudio Bethesda, dass die beliebte Fallout Reihe mit Fallout 76 einen Multiplayer Ableger erhalten sollte. Schon im November würde der Titel zum Kauf in den Regalen stehen. Ein sportlicher Zeitraum also.

Der Hypetrain fährt ab

So sah Fallout 76 zu Release im Teamplay aus – ein Haufen Blech

Die Freude war anfangs groß, denn bisher waren die Fallout Games ausschließlich Singleplayer. Außerdem eilte der gute Ruf des letzte Ablegers der Reihe, Fallout 4 (2015), voraus. Dieser zählte bis dahin (und auch heute noch) zu den besten RPGs die der Markt für PC und Konsole zu bieten hatte. Also versprach man sich auch vom kommenden Multiplayer, Fallout 76 (2018), denselben Erfolg mit ähnlicher Qualität.

Was dann passierte, hat wohl jeder mitbekommen, der auch nur am Rande mit Videospielen zu tun hat. Fallout 76 erwischte es ähnlich schlimm, wie 2016 das hoch gehypte No Man’s Sky, welches zu Release den wahrscheinlich schlimmsten Shitstorm in der jüngeren Gaminggeschichte erlebte.

Fallout 76 – zum Scheitern verurteilt

Um es kurz zu fassen: Fallout 76 strotzte zu Release vor Bugs, die Welt war nicht nur Ödland sondern wirkte überdies auch extrem öde. Außerdem funktionierte der Multiplayer instanziert und damit völlig anders als es sich die meisten Spieler erhofften. Nebenbei traten Serverprobleme, Performanceeinbrüche und Exploits auf.

Das lag vor allem daran, dass Fallout 76 auf dieselbe Engine aufgebaut wurde, die auch schon für The Elder Scrolls: Skyrim (2011) verwendet wurde und im Kern sogar noch älter war. Diese war nicht fähig, eine größere Anzahl an Spielern gleichzeitig zu bewältigen, geschweige denn zusätzliche NPCs zu unterhalten.

Die Folge war, dass immer nur maximal 32 Spieler gleichzeitig auf einer Map der Spielwelt Appalachia sein konnten. Außerdem gab es nur vereinzelt Roboter, die Dialoge anboten, aber keine menschlichen NPCs mit Witz und Charme. Diese haben aber in den Singleplayern einen großen Teil des Erfolgs ausgemacht („Eine Siedlung benötigt deine Hilfe!“) und dieser Vibe fehlte damit gänzlich.

In Fallout 76 wurden die NPCs dann einfach durch Holobänder ersetzt, die überall in der Welt verteilt waren und deren Geschichte man sich im ewigen Monolog akustisch zu Gemüte führen konnte – gähnend langweilig.

Der atomare Nebel lässt sich mit genug Rüstung aushalten

Der erste Selbstversuch

Auch mich hat der anfängliche Hype nach dem „Country Roads -Trailer“ gepackt und – Schande über mein Haupt – das Game wurde sogar vorbestellt. Die ersten Schritte in Appalachia fühlten sich auch richtig positiv nach Fallout an, aber die Ernüchterung stellte sich bald ein. Je weiter man sich vom Startgebiet entfernte, desto langweiliger wurde es. Ich glaube, dass nicht mehr als knapp 20 Stunden Spielzeit auf der Uhr standen, als Fallout 76 wieder von der Platte geschmissen wurde.

Die Performanceprobleme waren enorm. Damals, mit einer dennoch ganz anständigen GTX 970, war das Game selbst auf niedrigsten Einstellungen ruckelig und stürzte gerne mal ab. Im Team spielen war so fast unmöglich. Bis man sich wieder zusammenfand stand der nächste Fehler vor der Tür. Die Quests waren ebenfalls langweilig (vom Typ „gehe dort hin, sammle x Gegenstände und bringe sie her“).

Das PvP System war unausgereift und so trollten Highlevel Spieler, wohl aus Langeweile, Neulinge im Startgebiet. Die konnten sie nämlich mit einem one-shot einfach von der Karte fegen. Überall, aber wirklich überall traten Bugs auf. Harmlose, wie dass eine Quest nicht startete und erst durch einen Relog dazu gebracht werden konnte, aber auch gamebreaking Bugs bei denen andere Spieler das eigentlich unzugängliche, fremde Inventar ausräumen konnten.

Insgesamt wirkte das Game einfach nur wie ein überteuerter Multiplayer DLC zum Singleplayer Fallout 4. Die Retourkutsche folgte umgehend: Schon kurz nach Release des Games gab es die Keys für Fallout 76 zum Schleuderpreis auf diversen Plattformen.

Ist die nächtliche Aussicht nicht herrlich?

Wie ein Phönix aus der atomaren Asche?

Das Team hinter dem vorher schon erwähnte No Man’s Sky hat damals aber den Kopf nicht in den Sand gesteckt und kräftig an seinem Game gearbeitet. Heute ist NMS durch zahlreiche Updates und Unmengen neuen Contents ein durchaus gutes Spiel, das sich von seinen schlechten Kritiken erholt hat. Auf einen ähnlichen Erfolg versucht man nun auch mit Fallout 76 hinzuarbeiten.

Mitte April 2020, also ganze zwei Jahre nach Release, wurde nicht nur der Wastelanders Content Patch veröffentlicht. Sondern das bisher nur auf dem Bethesda eigenen Launcher spielbare Game wurde endlich auf Steam, der größten Games Plattform, angeboten. Wastelanders sollte die menschenleere Welt nun endlich mit Leben füllen, der Steamrelease die Spielerzahlen anheben und neue Kunden begeistern.

In diesem großen Content Update wurden menschliche NPCs eingefügt, viele Gebiete völlig überarbeitet und neue Questreihen erschaffen.

Die Spielmodi in Fallout 76

Die zweite Chance

Ich habe zum Steam Release kräftig mit mir gehadert, ob Fallout 76 noch eine Chance von mir bekommt. Weil Bethesda aber so freundlich war, Eigentümern der Launcherversion auch auf Steam das Spiel zu Verfügung zu stellen und sogar die ursprüngliche Frist für diesen Service zu verlängern, konnte ein Blick darauf ja nicht schaden.

Appalachia – bist das wirklich du?

Schon die ersten Schritte in Appalachia sahen völlig anders aus, als beim Erstversuch. Es wurde kräftig am Wetter und der Atmosphäre gebastelt. Allein das Spiel aus Licht und Schatten, Nebel und Unwetter wirkt so viel echter und schöner anzusehen, als noch zu Release.

Gleich nach dem Verlassen von Vault 76 trifft man schon die ersten menschlichen NPCs. Die Dialoge waren auch tatsächlich mit dem bekannten Fallout Charme gespickt und nett anzuhören. Alle bisher getroffenen NPCs waren ähnlich witzig und teilweise mit ausgefeiltem Charakterprofil versehen.

Ein bisher ungewohnter Anblick – Menschen in Fallout 76

Auch die Performance war nun überhaupt kein Problem mehr, das Spiel lief sehr flüssig und leistete sich keine Abstürze. Die neuen Quests sind etwas detaillierter als die bisherigen öden Sammelaufgaben und können auf verschiedenen Wegen bewältigt werden. Ob man nun die mit dem Kopf durch die Wand Vorschlaghammer Methode bevorzugt oder sneaky sein Charisma spielen lässt.

Wer lieber PvP machen möchte, hat mit dem Spielmodus Nuclear Winter die Möglichkeit, sich mit 51 anderen Spielern zu messen und muss nicht den Neulingen auf den Keks gehen. Auch der Basisbau wurde deutlich verbessert. Spieler können mithilfe eines Automaten überschüssige Items gegen wertvolle Kronkorken an andere Spieler verkaufen.

Home, sweet home.

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Negativ fallen die immer noch auftretenden Bugs auf. Die nicht startenden Quests sind beim Zweitversuch mehrmals passiert. Auch dass man mitten im Feindesgebiet steht, eigentlich alle sichtbaren Gegner ausgelöscht hat, aber irgendein unsichtbarer Charakter ständig Schaden zufügt, sein 3D Modell aber irgendwo starr in der Gegend steht und unbesiegbar ist. Überhaupt treten Gegner manchmal wie zur Salzsäule erstarrt auf und leisten absolut keine Gegenwehr. So ganz fehlerfrei ist es also noch nicht.

Was ebenfalls negativ auffällt ist die musikalische Playlist. Gefühlt besteht Radio Appalachia und das Klasissche Radio aus jeweils 15 eigentlich guten Titeln, die aber in Endlosschleife aneinander gereiht werden. Für die ersten 1-2 Spielstunden ist das ganz nett, doch schon bald geht dir „Mr. Sandman“, Julie’s Monolog über den Sender oder „Der Flug der Walküre“ so dermaßen auf den Senkel, dass das Radio lieber aus bleibt.

Leider sind auch neue Minuspunkte dazu gekommen. Wie bei Bethesdas anderem Multiplayergame, The Elder Scrolls Online, wurde auch bei Fallout 76 ein Premium Abo, Fallout 1st, eingeführt. Wer monatlich dafür blecht, erhält die Möglichkeit für sich und seine Freunde eine eigene Appalachia Welt zu erstellen, die für Fremde unzugänglich ist. Außerdem obendrauf etwas Währung für den Atomic Shop (der derzeit glücklicherweise nur Kosmetik enthält), ein praktisches Schnellreise Zelt und wenn das noch nicht genug wäre, eine unendliche Lagerkiste wo jeglicher Schrott reinpasst, der normalen Spielern schnell den Stash vollmüllt. Meh.

Der Atomic Shop -hol dir gammlige Looks für deine Ausrüstung

Fazit

Fallout 76 ist mittlerweile durchaus spielbar und spaßig – sowohl im Team, aber auch als Soloplayer. Ein einfacher Spaziergang durch Appalachia wirkt durch all die optischen Verbesserungen schon deutlich mehr auf das Spielerlebnis ein, als noch zu Release. Es ist schade, dass man dem Game damals nicht noch etwas Entwicklungszeit gab, denn mit dem heutigen Inhalt ist es ein stimmiges Gesamtpaket.

Leider hat sich der schlechte Ruf in vielen Köpfen festgesetzt und ich kann mir gut vorstellen, dass die Verkaufszahlen auf Steam deshalb nicht ganz so hoch sind, wie man es sich erhoffte. Gut zu sehen ist das auch in den Steam Statistiken, wo das ältere, preisgekrönte Singleplayergame Fallout 4 immer noch von mehr Spielern genutzt wird, als das neuere, aber ursprünglich mies bewertete Fallout 76. Eine so gelungene Aufholjagd wie No Man’s Sky hinlegte, ist damit fraglich. Immerhin wird Fallout 76 auf Steam „größtenteils positiv“ bewertet.

Kritisch zu sehen ist der Ingameshop und das Fallout 1st Abo. Es ist fraglich, ob das wirklich sein musste. Generell hat man mit Wastelanders alles richtig gemacht, dieses Bezahlpaket gibt dem Ganzen aber einen faden Beigeschmack. Für das eintönige Radioprogramm wäre es wirklich toll, mehr Titel zur Auswahl zu haben. Vielleicht sogar ein täglich wechselndes Programm, damit nicht immer dasselbe läuft. Für einen erweiterten Soundtrack wären sicher einige Spieler bereit etwas extra zu zahlen, als für ein monatliches Abo.

Insgesamt kann für Fallout 76 Wastelanders jedoch tatsächlich eine Empfehlung ausgesprochen werden. Das Spiel ist zwar immer noch nicht, was man sich 2018 davon erhofft hat. Aber es ist ein wirklich unterhaltsamer, zeitfressender Titel geworden.

Steam Statistiken 04.05.2020
Bildquellen:

Titelbild: Fallout 76 – Bethesda offizielle Website zum Spiel

Bilder im Artikel: eigene Screenshots aus dem Game

Statistik Bild: eigener Screenshot Steam Statistiken, 04.05.2020 11:00 Uhr

 

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